Einkommen und Bezahlung

Ein Truthahn zum Beispiel kostete 5-10 Pfund Sterling. Wenn Du bedenkst, daß der Arbeiter mit Familie hier nur 4-6 Pfund Wochenlohn hat, so kannst Du ermessen, daß er diese Preise nicht zahlen kann. Auch Tabak, Zigarren u. Zigaretten sind durch die phantastischen Steuern sehr teuer.

Transkription zu Wilhelm Klein, Inv.Nr. 3.2017.1295.2

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Bristol, den 27./12./47.
Mein liebes Annyfranchen!
Nun sind die Weihnachtstage auch verklungen
und ich bin froh, daß alles vorüber ist, denn eine
wirkliche Feststimmung kann ja, solange man
nicht „freier“ Mensch ist, garnicht aufkommen.
Außerdem ist einem ja alles dadurch vergällt,
daß man dauernd an die Misere der eigenen
Familie denken muß. Wie hast Du, mein
Liebling, nun diese Tage verbracht? Hoffentlich
hattest Du das Glück, im Kreise Deiner Familie
einige netten Stunden zu verleben. Ich war
am Heiligen Abend und am 2. Weihnachtstage
in Weston eingeladen, wo man mir einige
angenehme Stunden bereitete. Gestern abend
hatten wir zum Abschluß Truthahn und
ein gutes Likörchen. Das sind natürlich
Genüsse, die sehr selten geboten werden können,
da diese Sachen auch hier nur zu kaum erschwing-
lichen Preisen zu haben sind. Ein Truthahn
zum Beispiel kostete 5-10 Pfund Sterling.
Wenn Du bedenkst, daß der Arbeiter mit Familie
hier nur 4-6 Pfund Wochenlohn hat, so kannst

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Du ermessen, daß er diese Preise nicht zahlen
kann. Auch Tabak, Zigarren u. Zigaretten
sind durch die phantastischen Steuern sehr teuer.
Nun hoffe ich, daß uns das „Neue Jahr“ eine
Besserung unserer Lage bringen möge. Ich
glaube in Kürze eine Aufbesserung meiner
finanziellen Lage zu erfahren und dann
Dich und Mutter besser unterstützen zu
können. Sobald ich positives in der Hand
habe, werde ich Dir näheres mitteilen. Was
würdest Du darüber denken, wenn sich eine
Möglichkeit böte, Dich nach England kommen
zu lassen? Hättest Du Lust, Deutschland
zu verlassen und auszuwandern?
Meines Erachtens wäre es das Beste, wenn sich
eine Chance böte, denn unter den gegenwärtigen
Verhältnissen in D. sehe ich wirklich keine
Möglichkeit einer besseren Zukunft mehr.
Wenn auch hier die Verhältnisse nicht rosig
sind, so stehen sie doch in keinem Verhältnis
zu der mißlichen Lage in Deutschland, denn
zu verhungern braucht man jedenfalls hier nicht.
Nach allem, was ich bis jetzt über Deutschland

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und die dortigen Rechtsverhältnisse hörte, fühle
ich mich nur noch sehr wenig zugehörig zu einem
solchen System. Wie du mir selbst schriebst, werde
ich dort wohl kaum eine Position finden, die
in etwa meiner früheren Berufstätigkeit entspricht.
Es wäre mir sehr lieb, wenn Du mir einmal
mitteilen würdest was Du darüber denkst,
wenn ich mich als Zivilangestellten verpflichten
würde bei normaler Bezahlung und voll-
kommener Freiheit als Zivilist. Man steht
in diesem Falle nicht mehr unter Militär-
gesetzgebung und wird regulär aus der Gefangen-
schaft entlassen. Dabei ist schon erörtert worden,
daß man seine Angehörigen wahrscheinlich
bald nach hier kommen lassen kann.
Selbst dann, wenn man England nur
als Sprungbrett nähme, um in 1-2 Jahren
entweder nach einer der engl. Kolonien
(Australien, Neufundland oder Südafrika) oder nach Amerika
auszuwandern, so wäre es eine gute Möglichkeit,
sich eine Zukunft zu schaffen. Wäre nicht
alles so hoffnungslos, so hätte ich diesen
Gedanken verworfen. Da man sich aber nicht

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den realen Tatsachen abzufinden hat, sehe ich
die einzige Chance noch einmal ein
besseres Leben zu haben, darin, dorthin zu
gehen, wo man mir diese Chance bietet. Soviel
ich aus all Deinen Briefen entnehme ist es in
Deutschland auf nicht abzusehende Zeit
unmöglich dies zu erreichen. Bitte, liebe Anny,
schreibe mir einmal ausführlich, wie Du über
das Geschilderte denkst. In der Zwischenzeit
werde ich meine Verbindungen, die ich auf-
genommen habe, weiter ausbauen und den
Boden vorbereiten. Wie geht es Clemens und
seiner jungen Frau? Hast Du es arrangieren
können, ihm von mir ein kleines Hochzeits-
geschenk zu überreichen? Ich würde mich sehr
freuen, wenn es Dir geglückt wäre, denn Clemens
war immer in anerkennenswerter Weise um
unser Wohlergehen besorgt und es tut mir auf-
richtig leid, daß ich seine Hochzeit nicht miterleben
konnte. Und nun, mein Liebling, sei lieb und
herzlichst geküßt und nimm die besten Wünsche
zum Jahreswechsel. In der Hoffnung, bald wieder
liebe Post von Dir zu haben, bleibe ich ganz Dein
Willy
NB. Bitte grüße Deine Lieben u. Herren Pfarrer u. Familie.

[…] bekanntlich erhalten wir eine Art Lagergeld, das wir nur in der Kantine umsetzen koennen, wo es aber nicht immer alles zu haben ist, was man gerne haben moechte. […] Unser Verdienst langt gerade dazu, dass man sich taeglich 6 Zigaretten kaufen kann.

Transkription zu Heinz Benedix, Inv.Nr. 3.2015.3641.7

[Vorderseite]
Langar, den 24.5.47.
Meine liebe Marianne!
Du sollst wie immer die Erste sein, die von unserer neuen Erleichterung, einmal Im Mo-
nat einen Brief im Umschlag zu stecken, und der nicht von so unzaehligen Unberufenen ge-
lesen wird, erhaelst. Das sollte die Ueberraschung fuer Dich sein, die ich im letzten
Briefe angekuendigt habe. Da mir aber heute nur ein kleiner Umschlag zur Verfuegung
steht, kann ich Dir noch nicht soviel schreiben, wie ich gerne moechte, aber bestimmt
wirst Du etwas mehr von mir erfahren, als wie sonst. Ich muss mich erst mal erkundigen,
ob groessere Formate zugelassen sind und wenn ja, mir groessere Umschlaege besorgen las-
sen. Dies ist alles nicht so einfach, denn bekanntlich erhalten wir eine Art Lagergeld,
das wir nur in der Kantine umsetzen koennen, wo es aber nicht immer alles zu haben ist,
was man gerne haben moechte. Im naechsten Briefe bekommst Du wieder eine Ueberraschung.
Da kannst Du mal ein bischen raten, was es sein koennte. – Eben habe ich Deine Briefe vom
letzten Monat alle durchgelesen, aber ehe ich Dir sie nochmal, aber gruendlicher beant-
worte, moechte ich Dir eine kurze Schilderung unseres Lagers geben, die Dich bestimmt
auch interessieren wird, denn ich glaube, darueber weisst Du noch am allerwenigsten.
Untergebracht sind wir in grossen, viereckigen und kleinen, runden Huetten. Die grossen
sind im Winter waermer als die kleinen aus Blech gebauten sogenannten Nissen-Huetten.
Die Betten sind zweistoeckig und ausnahmsweise gefedert, ansonsten besteht die Federung
nur aus Bandeisen. Unser Lager ist ein Hauptlager und geniesst dadurch verpflegungsmaess.
gewisse Vorteile, nachteilig ist allerdings, dass die Belegschaft eben ziemlich gross
ist. Bei uns auf der Bude liegen 40 Mann, ein ewiger Wechsel, denn die einen kommen
nach Hause, die anderen kommen wieder aus anderen Lagern hierher, um in der Landwirt-
schaft eingesetzt zu werden. Die sanitaeren Anlagen hier sind ausgezeichnet, weil es ein
ziemlich neues Luftwaffen-Lager war. Waschraeume und Duschraeume sind sehr gut im Ver-
haeltnis zu anderen Laegern, in denen ich war. Auch die Speisesaele sind sehr sauber u.
auch das Kuechenpersonal, uebrigens alles von Deutschen besetzt, versteht etwas von sei-
nem Handwerk. Dann hat sich im Laufe der Zeit alles entwickelt: Fussballplatz, Faustball-
platz, sogar ein Tennisplatz ist geschaffen worden. Ziemlich neuen Datums ist ein
Lese – und Unterhaltungsraum, eine Baracke ist fuer Skatspieler reserviert, Unterrichts-
raeume, eine reichhaltige Bibliothek sorgt fuer Lesestoff, z.T. ganz neue politische
Buecher aus der Schweiz, im Leseraum staendig die neuesten engl. Tageszeitungen und Il-
lustriert.en, hin und wieder deutsche Zeitungen, allerdings nur aus den westlichen Zonen
und ganz selten aus Berlin. Als neuesten Schlager der Rundfunk. Auf allen Baracken einen
Lautsprecher, im Freien 2 Grosslautsprecher, so dass Du ueberall Musik und Nachrichten
hoeren kannst. Es wird ja viel der engl. Jazz gebracht, noch schlimmer ist der amerikani-
sche. Leider muessen sich deutsche Kapellen im Rundfunk ueberbieten und dieses Gedudel
nachmachen . Um dieses Lager ist allerdings der Stacheldraht, den wir aber schon ganz
uebersehen haben. Bewacht werden wir von deutscher Polizei, damit die engl. Zivilbevoel-
kerung uns nicht rauben kann. Ganz vergessen habe ich zu erwaehnen den Vertrauensrat.
Von jeder Huette wird ein Mann gewaehlt und diese Maenner treten nun zusammen und tagen.
Alles was im Lager verbessert werden kann und was der Englaender genehmigt, wird getan,
um das Lager zu verschoenern. Der Theater- und Kinosaal ist draussen in der engl. Linie,
das heisst dort, wo das engl. Militaer wohnt. Uebrigens werden hier auch die Tanzabende
der Umgebung abgehalten, angeblich soll in der Naehe kein solch grosser und schoener
Saal vorhanden sein. Fuer deutsche Verhaeltnisse klingt das etwas eigenartig, denn wir
sind oder sagen wir lieber waren etwas besseres gewoehnt. Das Lager liegt inmitten eines
grossen landwirtschaftlichen Gebietes, etwa 6o Kilometer von der groessten Stahlstadt
weg inmitten fruchtbaren Gebietes. Nur Doerfer oder kleinere Staedte sind in etwa 5-11
km Entfernung. Seit Weihnachten duerfen wir das Lager verlassen ohne Posten und ohne
dass wir zur Arbeit gehn. Da das Land flach wie ein Teller ist, Spazierwege hier in der
Gegend nicht bekannt sind, zieht es mich nicht herauszugehen und die Landstrassen abzu-
tippeln. Manche Kameraden werden ja des Sonntags eingeladen zum Mittagessen und zum Tee,
aber das sind erstens mal wenige und zweitens muss ja das Vieh auch des Sonntags auch
verpflegt werden. Nur ganz vereinzelt gibt es Leute, die sich des Sonntags P.o.W.s ein-
laden, und sich mit ihnen ganz vertraut unterhalten. Ansonsten kommst Du Dir eben wie
ein Mensch zweiter Guete vor. –

Nun zu Deinen Briefen. Eben habe ich mir mein Hauptbuch angesehen, da habe ich gestern
geschrieben, dass ich schon seit 14 Tagen keine Post erhalten habe, das muss ich zurueck
ziehen, denn es ist erst eine Woche her entschuldige bitte. Da ist Dein Brief vom 1 .4.
mit der Reiseschilderung nach Leipzig. Ich kann mir nun wirklich kein Bild machen, wie
es jetzt in Deutschland aussehen mag. Fahren denn wirklich so wenig Zuege oder reisen
denn so viele Menschen, um zu hamstern. Wenn man hier so die Zuege sieht, die Abteile
fast leer, denn der Hauptverkehr auf kurzen Strecken spielt sich hier nur im Busverkehr
ab. Uebrigens ein eigenartiges Bild diese 2 stoeckigen Busse. Wegen einer Geschaefts-
verbindung mit Gerhard vermag ich von hier aus noch nichts zu sagen, denn ich weiss ja
zunaechst noch wirklich nicht, wie meine Zukunft aussehen wird. Rosig jeden falls auf
keinen Fall. Und an eine Geschaeftsgruendung mit nur geborgtem Gelde vermag ich eigentlich
auch nicht zu denken, bei der heutigen Materialbeschaffung. Und mit Gerhard zusammen,
ich weiss nicht so recht. Die Hauptsache bleibt ja zunaechst mal erst meine Rueckkehr
und vorher die Entwicklung Deiner Angelegenheit. Ich habe so den Eindruck, dass Du mit
dieser Umgestaltung nur zum Teil einverstanden bist. Gewiss, ich kann alles verstehen
und begreifen, aber von hier aus kann ich Dir wirklich nicht den Rat, den Du

[Rückseite]
bestimmt von mir erwartet hast. Du darfst nicht verkennen, dass ich praktisch seit 1942
von Euch getrennt lebe und wie sehr sich alles in der Zwischenzeit alles geaendert hat,
vermagst Du allein am allerbesten wissen. Seit 5 Jahren habe ich nur das auszufuehren
was man mir aufgibt, sei frueher beim Militaer gewesen oder jetzt noch vielmehr in Ge-
fangenschaft. Das stumpft alles gewaltig ab. Ich bilde mir immer ein, dass ich nicht wie
so viele meiner naechsten Ungebung stumpf und taub in den Tag hinein lebe, aber aus einer
solchen Entfernung und unter ganz veraenderten, mir noch unbekannten Verhaeltnissen einen
guten und vernuenftigen Rat zu geben, das ist verdammt nicht leicht. Die Meldungen, die
ich den Zeitungen und dem Radio entnehme, und die ich von Heimkehrern aus allen Zonen
hoere und lese, sind so verschieden, dass man sich kein volles Bild machen kann. Der
eine schreibt gut, der andere warnt aus der gleichen Zone. Der Naechste meint gerade in
der Nachbarzone ist am besten und moechte dahin, der vierte hat gerade aus dieser Gegend
berichtet, wie schlecht es dort steht. Wem soll man glauben, wer hat Recht. Die Meisten
sehen halt die Lage nur von ihrem kleinen engem Gesichtspunkte aus, dann kommen die ein-
zelnen Berufe zu. Ueber eins bin ich mir im Klaren, fuer den Handel sind die Aussichte[n]
gut, aber auch andererseits schlecht. Gut sind sie, wenn die Lage in der Wirtschaft etwas
klarer waeren, sei es mit der Waehrung, mit dem Wirtschaftspotential und so vie1em andere[m,]
aber schlecht bleiben sie und schlechter werden sie, wenn nicht im November bei der
naechsten Konferenz irgend etwas Positives herauskommt, wie ich ueber die Lage denke,
koennte ich Dir hoechstens mal sagen, aber nicht schreiben. Ich weiss nicht, ob Du mich
verstehst, abei ich hoffe es wenigstens.

Dann schreibst Du, was ich alles so handwerklich gelernt habe, ja das kann ich Dir nicht
so berichten, aber in der Zwischenzeit habe ich mir eine Aktentasche aus Leinen gemacht,
da kommen schon die Sachen hinein, die ich mal mit nach Hause zu nehmen gedenke. Soll
ich die Sachen schon mal aufzaehlen oder soll ich Dich noch ein wenig auf die Folter span[-]
nen. Vor allen Dingen habe ich gelernt viele Kniffe fuer jeden Beruf und dann habe ich
die Augen aufgemacht und ich hoffe, dass ich so manches spaeter mal verwerten kann.
Bis jetzt habe ich fuer Dich besorgt: Naeh- und Stopfnadeln, Zwirn, Stopfwelle, Sacharin[,]
Kakao, Bohnenkaffee, Erbsen, Gummiband, fuer die Kinder Schreibhefte, dann Zahnputzsteine[,]
Hosenknoepfe. Hoffentlich, gelingt mir noch weitere Sachen zu erwerben. Deshalb moechte
ich Dich bitten, mir weitere Artikel anzugeben, die Du brauchst, aber nicht bekommst.
Vorausschicken moechte ich, dass hier in England so ziemlich alles rationiert auf Mar-
ken gibt und vieles sehr teuer ist. Manchmal hat man Glueck, vielmals keins. Und dass
vor allen Dingen unser Einkommen nicht so ist, dass man grosse Spruenge machen kann.
Unser Verdienst langt gerade dazu, dass man sich taeglich 6 Zigaretten kaufen kann.
9 .4. Das machst Du recht, dass Du nun wieder mal ins Kino gehst. Auch ich versaeume keinen
deutschen Film, der etwa alle 3-4 Wochen mal hier gezeigt wird. Mein Bedarf an engl.
Filmen ist reichlich gedeckt, das ist nicht mein Geschmack. Wenn mal ein guter amerikani-
scher gezeigt wird, werde ich wieder mal hingehen, das passiert so alle 2 Wochen. Gestern
hatten wir unser Wunschkonzert, es war wirklich eine sehr schoene Leistung. Wir haben
eine gute Kapelle von 9 Mann, besonders gross sind sie in Tanzmusik, aber die letzten
beiden Male haben sie auch gezeigt, dass sie die deutsche Musik zu spielen verstehen.
Bei diesen Konzerten sind jedes Mal die engl. Farmer eingeladen. Gestern war ein Rekord-
besuch von etwa 120—130 engl. Gaesten hier, Maennlein und Weiblein, Kind und Kegel,
der Beifall war gut, reichlich und gerecht. Ich muss mich nur wundern, dass sich die
Gaeste am ersten Feiertage so zahlreich eingefunden haben. Aber wenn man bedenkt, dass
hier in England an Sonntagen kein Film, kein Theater spielt, sogar keine Zeitung erschein[t]
eben der Sonntag gefeiert wird, dann ist es wiederum kein Wunder, wenn die Gaeste eine
Zerstreuung suchen und bestimmt auch finden, denn die hohe Qualitaet der Darbietungen
hat sich so langsam herumgesprochen, dass z.T. schon Vorstellungen nur fuer Englaender
gegeben wurden. –

Ueber die Fortschritte der Kinder freue ich mich immer riesig. Bedauerlich auch hier
waere wieder die Umschulung, aber letzten Endes glaube ich, dass sie nur Vorteile davon
haetten. Ich bin ja gespannt, wann ich mal den ersten Brief in der ihnen neuen Sprache
erhalte. Bei der Gelegenheit kannst Du auch Deine Spracktenntnisse wieder ein wenig auf-
frischen und das ist auch von Nachteil nicht. Schade, dass ich nicht dabei sein kann.
Uebrigens habe ich mir eine deutsche Sprachlehre gekauft, die ist geradezu vorzueglich,
ich hoffe noch weitere Buecher zu erwerben, die alle vom christlichen Verein junger
Maenner gedruckt und verlegt werden, das sind alles Sachen, die bestimmt zu Hause Selten-
heitswert haben. . — Ich hoffe Euch gesund. Vater hatte mir geschrieben, dass er sich
noch nicht so recht wohl fuehlt, dazu kommt, dass die Spännung zwischen den Eltern wie-
der zugenommen hat. Ich glaube, auch hier spricht die Zeit eine grosse Rolle mit. Wenn
Vater an seinem Lebenswerk arbeiten koennte und Mutter haette ihren alten Bekanntenkreis
und wir alle unsere Heimat, dann waere vieles besser und auch schoener auf dieser Welt.
Aber scheinbar soll es nicht so sein. — Du schreibst von den grossen Fruehjahrsaende-
rungen und Verlaengerungen fuer die Kinder, hast Du denn eigentlich Stoff und Zutaten
hierzu? Ich hoffe, wenigstens in sehr beschraenktem Umfange, denn sonst koenntest Du
dies ja garnicht machen. Das es Dir gelint, bezw. gelungen ist, entnahm ich auch Dei-
nem Briefe. Dann schreibst Du im Briefe vom 10.4., ob ich meine Entlassungsnummer weiss.
Vermutlich meinst du meine Gruppe, die hast Du ja in der Zwischenzeit erhalten. Sollte
hier irgend eine Aenderung eintreten, man munkelt davon-, dann erhaelst Du sofort Nachric[ht.]

So, meine liebe Marianne und meine lieben Kinder, heute habt Ihr endlich wieder mal et-
was mehr von mir gehoert, im naechsten Monat wieder mehr. Fuer heute sende ich Euch
viele herzliche Gruesse und Kuesse, auch an die Eltern Dein Heinz

Wir bekommen jetzt eine Leistungsprämie. Ich brachte es in den letzten beiden Monaten zus. auf etwa 200 frs. Dafür können wir dann verschiedene Sachen kaufen z.B. Haferflocken (1 kg 50 fr) Gerstenmehl und auch Bier. Es ist alles sehr teuer in Frankreich.

Transkription zu Ernst Neugebauer, Inv.Nr. 3.2011.5059.2

Meierei, am 12. Januar [?] 1947
Liebe Mutter und Schwestern! Zuerst danke ich Euch vielmals für
die beiden Schreiben vom 3.12. und 12.12. Die Feiertage waren
ja ziemlich eintönig in dem von der Welt verlassenen Wald.
Unser Weihnachtsgeschenk bestand aus 1 kg Äpfel und ½ kg
Brot. Auserdem 5 Zigaretten vom Roten Kreuz. Heut vor 14
Tagen war ich in einem etwa 10 km entfernten Ort zum
Gottesdienst. Unsere Arbeit besteht weiterhin im Holz
machen. Wir haben halt jetzt eine enge Behausung, alles
andere wäre ja erträglich. Die Anschriften von Tante
Wilma und Onkel Hans hatte mir Bruder Josef schon
mitgeteilt. Hat er Euch zu den Feiertagen besucht? Wie er
doch vor hatte. Ihr werdet sicher schon längere Zeit
keine Post von mir haben, denn die Formulare trafen
diesmal später ein. Wir bekommen jetzt eine Leistungs-
prämie. Ich brauchte es in den letzten beiden Monaten zus.
auf etwa 200 frs. Dafür können wir dann verschiedene
Sachen kaufen z.B. Haferflocken (1 kg 50 fr) Gerstenmehl
und auch Bier. Es ist alles sehr teuer in Frankreich.
In der letzten Zeit liegt etwas Schnee aber jetzt [?]mt
es schon wieder. Leider muß ich schliessen und
verbleibe vielmals grüßend Euer Sohn und Bruder
Ernst [?]