Heimweh

Nur die Sehnsucht nach der Heimat und nach meinen Lieben brennt unvorstellbar in meinem Herzen. Im Gedanken bin ich ständig mit bei Euch.

Transkription zu Lothar Mäge, Inv.Nr. 3.2017.267.1

Weihnachten, d. 26.XII.48

Meine liebe Mutti und Schwester!
Mit grosser Freude erhielt ich zum Weihnachts-Heiligen Abend
wie ein Geschenk vom Himmel Euere liebe Karte vom 1.Xi.48.
Habt recht herzlichen Dank. Ich erwidere Euere Grüsse und Wünsche
nachträglich zum Weihnachtsfeste und zur Jahreswende. Gesund-
heit, Glück und frohe Stunden mögen Euch immer beschieden
sein. Obgleich alle Hoffnungen auf ein Wiedersehen bis Jahresen-
de 1948 nicht in Erfüllung gingen, so wollen wir doch den Mut
nicht sinken lassen. Einmal muss und wird der Tag der Freiheit
kommen. Ich freue mich, dass Ihr alle noch gesund seid und eine
Familie in Euerem Haus bildet. Das zu wissen, hilft auch mir mein
Schicksal etwas erleichtern. Ich danke Euch für die angebotene Er-
holung in Euerem Heim. Natürlich werde ich ihr Folge leisten Doch
muss ich erst einmal da sein. Hoffen wir, dass das Frühjahr die lang-
ersehnte Heimkehr bringen möge. Helft nur bitte recht mit. Seit einem
1/4 Jahr bin ich in einem anderen Lager. Achtet deshalb auf meine
neue Anschrift. Ich bin soweit noch gesund. Nur die Sehnsucht nach
der Heimat und nach meinen Lieben brennt unvorstellbar in meinem
Herzen. Im Gedanken bin ich ständig mit bei Euch. Bei uns ist jetzt tief-
ster Winter. – Bleibt mir recht gesund und verzagt nicht. Nochmals
alles erdenkliche Gute fürs Neue Jahr. Schreibt bald wieder. Seid herzlichst
gegrüsst von Euerem getreuen und dankbaren Lothar

[Seitlich danach hinzugefügt] Viele Grüsse auch an Tante Lotte, Altweins und Greifs.

[…] da verschwinden die vielen Kilometer und die Heimat liegt greifbar nahe vor den Augen, ja vor den Augen denn in nächster Minute wird man schon wieder in das trostlose Leben der Gefangenschaft zurückgerufen.

Transkription zu Ludwig Seitz, Inv.Nr. 3.2017.1106.7

[Seite 1]
Am 21.III.1948
Liebe Eltern!
Nach langer Zeit ist mir endlich die Möglichkeit
gegeben einen Brief an Euch zu schreiben. Ich will
es gleich erledigen, den es ist ja genau so für Euch
wie für mich eine Freude wenn Ihr von mir ein
Lebenszeichen bekommt. Besser wäre es ja wenn ich
selber kommen könnte. Aber der Tag des ersehn-
den Wiedersehen wird auch noch kommen. Vileicht
sind es nur noch Wochen, vileicht auch noch Mo-
nate, , ich weiß es nicht, ich hoffe nur von Tag
zu Tag auf das langersehnde Wort: „Auf zur
Heimfahrt!“ Dann wird alles schwehre vergessen
sein und nur das gute wird zurück bleiben.
Wenn ich zurückdenke, an die Zeiten, woh wir
noch fröhlich beisammen waren, gerade zu
dieser Jahreszeit, woh der Schnee zu flicken
beginnt und an den Sommerhängen schon
die ersten Blumen sprießen und die Vögel
schon lustig in den Lüften singen, wenn wir
dann unsere Ausflüge machten auf unsere schönen
Berge und durch die schönen Wälder – das war
doch ein herrliche Zeit die hoffentlich bald einmal
wieder kommen wird. Es ist fast zum verzweifeln,
aber das tröstet nicht, hir gibt es nur eines, sich
nur mit der Gegenward mit den nackten Tatsachen
zu befassen und ja nicht zurückdenken sonst kann
man beinahe den Verstand verlieren. Wenn mich dann
doch das Heimweh packt und ich an das Vergangene
denke, wie ich noch ein kleiner Junge war und wie
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wir immer zu unserer Hütte wanderten, oder
dann als ich älter wurde, woh wir nach den
Gebirge fuhren und auf die schönen Berge stigen,
dies alles ist wie ein Traum und im Traum
sehe ich diese Bilder und die schönen Er-
innerungen steigen immer von neuen in
mir auf. Dann kam dieser verfluchte Krieg
der alles dieß schöne Leben über den Haufen
warf und uns tausende von Kilometer trende.
An arbeitsfreien Tagen sitze ich dann mit
meinen Landsleuten beisammen und dann
wird von zuhause erzählt, dies ist dann immer
das schönste da verschwinden die vielen Ki-
lometer und die Heimat liegt greifbar nahe
vor den Augen, ja vor den Augen denn in
nächster Minute wird man schon wieder
in das trostlose Leben der Gefangenschaft
zurückgerufen die scheinbar kein Ende nehmen
will, oder soll es doch bald so weit sein.
Die Hoffnung ist groß hoffendlich wird es bald
doch einmal wahr. Jetzt will ich aber mit dieser
Träumerei schluß machen, ich bin gesund
und das ist ja hier die Hauptsache. Gestern
war Frühlingsanfang der 21. März ein
herrlicher Wintertag, bei Euch vileicht
schon schön warm. Ostern steht auch schon
vor der Tühre, da wird es ja so langsam
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Zeit Euch gleich Ostergrüße zu senden,
denn es sind ja nur noch einige Tage,
leiter kann ich auch an diesen schönen
Feiertag nicht bei Euch sein, aber
diese Zeit wird auch noch kommen
woh wir wieder beisammen sein können
dann werden wir aber all das veräumte
so gut es geht nachholen, so viel wird
schon noch da sein, ich habe ja hir
gelernt wie man mit wenigen gut, ja
sogar sehr gut Leben kann. Liebe
Mama, da es ja bis zu deinen Geburts-
tag auch nur noch einige Wochen sind
will ich diese passende Gelegenheit auch
gleich dazu benutzen und Dir liebe
Mutter alles Gute und noch ein recht
langes gesunden Leben wünschen, hoffend-
lich kommt bald die Zeit woh ich wieder
bei Dir sein kann. Nun muß ich aber
Schluß machen, nur noch einige Fragen;
“Hat Erwin schon wieder geschrieben,
oder ist er schon entlassen, sind die
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Lauterhofer schon daheim oder
haben Sie alle auch das selbe Pech, denn
in den Zeitungen die wir bekommen
steht immer wieder daß Kriegsgefangen-
nen transporte in Frankfurth an-
kommen. Wie steht es überhaupt
mit Eueren Auskommen, müßt Ihr noch
immer beim Einkaufen lange Schlange
stehen, werde ich wieder im R.A.W. ar-
beiten können, steht noch unsere Hütte.
Hat schon einmal ein Hegner[?] aus
Nürnberg von sich was hören lassen,
schreibt bitte recht ausführlich und oft
auch wenn von mir nich so offt ein Brief
oder eine Karte kommt. Nun aber endgültig
Schluß, Gruß an alle Bekannte an
Tante Emma an Frl Geger[?] an Erwin
an die Lauterhofer an Frau Seibold über-
haupt an alle mir bekannten Leute.
Hoffendlich bekommt Ihr bald den Brief,
bis dahin seit rech lieb gegrüßt
von Eueren Sohn
Ludwig
[nachträglich hinzugefügt]
erhalten am 28.5. da
war unser Ludwig schon einen
Tag bei uns.